Geschichte
Gründung und Anfänge (1899–1949)
Am 24. Juni 1899 wurde der Turnverein Brig in der «Wirtschaft Hotel Müller» gegründet, nachdem eine Anzeige im Briger Anzeiger zur Vereinsgründung aufgerufen hatte. 32 Aktiv- und 5 Passivmitglieder traten bei, die meisten von ihnen waren zugezogene Arbeiter aus der West- und Deutschschweiz, insbesondere vom Bau des Simplontunnels. Der erste Oberturner war Fritz Brechbühl.
Trainiert wurde zweimal wöchentlich, dienstags und freitags um 20.00 Uhr, auf dem Turnplatz gegenüber dem neuen Spital und im Winter in der Postremise. Ab 1901 nahm der Turnverein Brig regelmässig an kantonalen und eidgenössischen Turnfesten teil – auf «Schusters Rappen», versteht sich. Das Marschieren bzw. Wandern nahm in dieser Zeit eine wichtige Rolle ein. So wird in den Chroniken eine Turnfahrt erwähnt, an welcher 16 Teilnehmer von Brig via Gemmipass, Interlaken, Grimsel zurück nach Brig wanderten. Im Weiteren wirkte der Turnverein auch an öffentlichen Anlässen mit, wie beispielsweise 1906 bei der Einweihung des Simplontunnels mit.
Zentrale Figuren der Vereinsgeschichte zwischen 1918 und 1940 waren Richard Orler und Anton Küster, der später Ehrenpräsident wurde. Unter Küster entstand 1928 die Jugendriege. Aber auch der Bau der ersten Turnhalle in Brig stellt ein wichtiges Ereignis in der Vereinsgeschichte dar.
Besucht wurden alle Kantonalen und Eidgenössischen Turnfeste, soweit diese stattgefunden haben. Die beiden Weltkriege unterbrachen zeitweise den Turnbetrieb.
Ein Motto aus der Anfangszeit zeigt den Geist der Gründer:
Wir stärken den Körper
An Reck und Barren
Zu hohem Zwecken
Als Herkules Narren.
Wir bauen dem Geist
Dem Befreier der Welt
Eine heimische Werkstatt
Und ein herrliches Zelt!
(Karl Dellberg)
Erfolge und Engagement (1949–1974)
Auch im zweiten halben Jahrhundert blieb der Verein aktiv. Erfolge an Erfolge reihten sich von Fest zu Fest. Nicht weniger als zehn bedeutende Turnanlässe wurden in Brig selbst durchgeführt. Mit der Eröffnung des Sportplatzes Geschina 1962 anlässlich des kantonalen Jugendriegefestes und dem Bau des Schulhauses inkl. Turnhalle verbesserten sich die Trainingsbedingungen deutlich.
Trotz einem gesellschaftlichen Wandel hin zu weniger Disziplin im Vereinssport blieb das Ziel klar: Gesunder Turnsport für alle Altersstufen. Der Geist der Gründer - frisch, fromm und fröhlich, frei - lebte weiter.
Modernisierung und neue Disziplinen (1974–1999)
Kurz nach dem 75-jährigen Jubiläum wurden die Statuten aus dem Jahr 1953 angepasst und revidiert. Ein wichtiger Schritt war der Namenswechsel vom ETV in den STV. Ausserdem wurde 1985 auf schweizerischer Ebene die Öffnung für die Frauen an der Abgeordnetenversammlung in Winterthur beschlossen.
Auch das Turnwesen hat sich grundlegen geändert. Von den Marsch- und Körperschulen ist man gänzlich abgekommen. Es wurde auf die Karte Jugend gesetzt, da diese allemal der Garant für den Fortbestand des Vereins sind. Neue Disziplinen wie Trampolin- und Minitrampturnen hielten Einzug, ebenso die Integration von Turnerinnen in Sektion und Einzelwettkämpfe. Mit den „Volleros“ wurde eine neue Gruppe für ältere Aktive gegründet.
Die topmotivierten Turnerinnen und Turner mit ihrem engagierten Leiterteam strebten nach neuen Herausforderungen, wie ausserkantonale Turnfeste und Schweizermeisterschaften im Sektions- und Einzelturnen. Um dies zu finanzieren, war man gezwungen, immer wieder Anlässe durchzuführen. Kantonale Jugendriegefeste, Oberwalliser Turntage mit Gastsektionen aus der ganzen Schweiz, Westschweizer- und Schweizermeisterschaften im Trampolinturnen. Als Höhepunkt muss die Organisation der zehntägigen Weltmeisterschaften im Trampolinturnen 1980 erwähnt werden. Etwas Einmaliges für den Verein und auch die Stadtgemeinde Brig-Glis.
Der Turnverein Brig feierte sportliche Erfolge insbesondere der Schweizermeistertitel im Sektionsturnen in den Sprüngen 1984 in Genf Brig ist und blieb bis heute der einzige Turnverein im Kanton Wallis, der einen Schweizermeistertitel an der SMV erturnt hat. Die acht Schweizermeistertitel im Einzeltrampolinturen und die Teilnahme von Schmidhalter Ulysses an der Weltmeisterschaft im Doppelminitrampolinturnen sind ebenfalls wichtige Ereignisse dieser Epoche. Über Jahre erturnte sich der Turnverein Brig an Regional- und Kantonalturnfesten jeweils die Tageshöchstnoten und brillierte an ausserkantonalen Turnfesten, wo man immer ein gerngesehener Gast war.
Analog zu der Aktivsektion entwickelte sich auch die Jugendriege und eiferte mit Spitzenresultaten den „Älteren" nach. Nicht nur an den kantonalen Jugendriegefesten, sondern auch an Westschweizer Turnfesten und sogar an Eidgenössischen sorgten sie für Furore. Die Volleros gewannen neben verschiedenen Regionalturnieren auch viermal den Kantonalen Männerturntag und wurden einmal Kantonaler Wintermeister
Auch in der Öffentlichkeit war der Verein aktiv – mit Fahnenweihen, Vereinsanlässen und Organisationen von Turnfesten.
Wandel und Weiterentwicklung (1999–2024)
Das 100-jährige Jubiläum 1999 war ein bedeutender Meilenstein. Doch das Jahr startete mit personellen Herausforderungen. Die drei ehemaligen Vorstandsmitglieder Kilian Jaun, Beat Furrer und Kurt Hellrigl erklären sich bereit, erneut im Vorstand mitzuhelfen, um die Vorstandsaktivitäten im Jubiläumsjahr zu unterstützen und einen Neubeginn in der Jugendriege einzuleiten. Kurt Hellrigl übernimmt die Leitung der Jugendriege und damit auch die Verantwortung für den Neuaufbau einer zusammengeführten Jugend- und Mädchenriege innerhalb des Vereins. Ihm gelingt bereits im selben der erfolgreiche Wiederaufbau und womit er die Basis für den langfristigen Fortbestand des Vereins legte. Für dieses erfolgreiche Engagement und sein Wirken für den Walliser Turnsport wird er im gleichen Jahr mit dem Leiterverdienstpreis des Walliser Turnverbandes ausgezeichnet.
Im September 1999 fand unter der Leitung der OK-Präsidentin Viola Amherd der Festakt zur 100-Jahr-Feier in der Simplonhalle statt, und einen Monat später war der Turnverein an gleicher Stätte Gastgeber der Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Turnverbandes mit mehr als 450 Teilnehmenden.
In den folgenden Jahren modernisierte der Verein seine Struktur und sein Angebot. Neben dem Minitrampolin wurde das Bodenturnen zur weiteren Paradedisziplin der Briger Turnenden. Das Barrenturnen und das grosse Trampolin werden dadurch abgelöst. Zwischen 2000 und 2005 tritt die Aktivsektion gemeinsam mit dem Damenturnverein Brig an, wobei der Damenturnverein in der Disziplin Teamaerobic zum dreiteiligen Vereinswettkampf beiträgt. Mit Jugendriege, Aktivsektion, Volleros, Montagsturnern und dem Jedermannsturnen sowie der angeschlossenen Männerriege, hat der Turnverein Anfang des 20. Jahrhunderts ein breites, sportliches Angebot für alle Altersgruppen – vom sechsjährigen Jungturner bis hin zum reiferen Montagsturner. Bis auf die Volleros und das Jedermannsturnen, die als eigene Sektionen in den Jahren 2010 respektive 2021 aufgelöst werden, besteht das breite sportliche Angebot bis heute.
Der Turnverein war weiterhin über das rein Turnerische hinaus auch im sportlichen und gesellschaftlichen Geschehen in Brig-Glis aktiv. Im Jahre 2001 wurde unter der Leitung von Ulysses Schmidhalter der Stockalperlauf organisiert und durchgeführt. Die Strecke führte die Läuferinnen und Läufer vom Stockalperhof entlang der geschichtsträchtigen Wege via Schallberg und Taferna auf den Simplonpass. Der Berglauf wurde auch in den kommenden sechs Jahren jährlich durch den STV Brig organisiert und stiess mit bis zu 120 Teilnehmenden auf grosses Interesse in der Läuferszene im Oberwallis. In etwa demselben Zeitraum wie der Stockalperlauf wurden auch weitere Engagements gestartet, die vor allem die gesellschaftlichen Aspekte und den Zusammenhalt im Verein fördern. Mit dem Skitag auf dem Simplon und dem Familientag im Herbst hatte der Turnverein neben der GV zwei weitere, jährlich stattfindende Anlässe etabliert, bei denen sich der gesamte Verein traf und die das Vereinsjahr prägten. Mit dem Barbetrieb der «Törner-Bar» am Briger Kasbah-Fest konnte der Turnverein zudem auch eine neue Einnahmequelle für die Vereinskasse erschliessen.
Im Jahre 2007 verstand es die Aktivsektion und ihr Oberturner Christian Imhof aus der Not eine Tugend zu machen. Da die Aktivsektion selbst zu wenig Disziplinen abdeckt, um am Eidgenössischen Turnfest in Frauenfeld im dreiteiligen Vereinswettkampf antreten zu können, schlossen sie sich kurzerhand mit den Turnerinnen der Aktivsektion des STV Gampel zusammen. Diese Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Hauptkonkurrenten im Oberwalliser Turngeschehen ging bei beiden involvierten Vereinen nicht geräuschlos über die Bühne und das Vorhaben stiess anfänglich vereinsintern auch auf Unverständnis. Die Kritik verstummte jedoch rasch, als der gemeinsame turnerische Auftritt ein Erfolg wurde. Die Turnerinnen aus Gampel ergänzten am Eidgenössischen die Auftritte der Briger Turnenden in den Sprüngen und am Boden ihrerseits mit einem gelungenen Aerobic-Auftritt. Zudem wurde das Bodenprogramm nicht nur gemeinsam entworfen, sondern auch gemeinsam geturnt. Der Auftritt erfolgt unter dem Namen STV Brig-Gampel. Vom guten Ergebnis und der bereichernden Kooperation motiviert, fand die Zusammenarbeit auch im Folgejahr am ausserkantonalen Turnfest ihre Fortsetzung.
Ebenfalls 2007gab es noch ein weiteres erwähnenswertes und für den Verein bedeutendes Ereignis, das feierlich begangen wurde. Anlässlich der GV wurde Marcel Schwestermann zum Ehrenpräsidenten des Turnvereins Brig ernannt – eine Anerkennung für seinen langjährigen, verdienstvollen und sehr geschätzten Einsatz für den Verein.
Sportlich trat der Verein regelmässig auf – etwa bei Turnfesten oder bei schweiz.bewegt auf dem Briger Stadtplatz, wo das grosse Publikum mit den attraktiven Sprungprogrammen der Jugendriege und der Aktivsektion begeistert werden konnte. Dabei reift auch die Idee, dem Heimpublikum die Turnprogramme häufiger zeigen zu wollen. Der 2009 neu eingeführte „Tag der offenen Turnhalle“ etablierte sich als fester Bestandteil im Vereinsjahr und ist sowohl bei den Turnenden als auch beim Publikum sehr beliebt.
Frauen übernahmen zunehmend wichtige Rollen. Im Jahr 2013 wurde mit Petra Passeraub die erste Oberturnerin von der GV gewählt. Sie führte die Aktivsektion in den Folgejahren mit viel Engagement und Erfolg und baute die turnerische Qualität weiter aus. Es ist wenig erstaunlich, dass Petra im Jahr 2021 auch zur ersten Präsidentin des Turnvereins gewählt wurde. Ein denkwürdiger Moment in der Vereinsgeschichte, wurden mit Kristina Hellrigl als Oberturnerin und Laura Arnold als Jugendriegeleiterin gleich die drei wichtigsten Positionen im Verein neu von Frauen bekleidet.
Auch organisatorisch passte sich der Verein an: Neue Statuten 2017 und 2024, inklusive der Integration der Ethik-Charta und des Ethik-Statuts, spiegeln die Werte Professionalität und Integrität wider.
Fazit
Der Turnverein Brig hat sich in 125 Jahren von einem kleinen Männerturnverein zu einem modernen, breit aufgestellten Sportverein für alle Altersgruppen entwickelt. Trotz zahlreicher Veränderungen hat er seine Wurzeln nie vergessen: Zusammenhalt, Kollegialität und Begeisterung für gesunden, respektvollen und fairen Turnsport im Dienste der Mitglieder – das sind die Werte, die den Verein seit 1899 tragen.